Wie funktioniert der Immobilienkauf in Italien wirklich?
Wenn du eine Immobilie in Italien kaufst, läuft alles anders als zu Hause. Es gibt keine standardisierten Formulare, keine einheitliche Vertragsvorlage, und der Notar ist nicht nur ein Zeuge - er ist der zentrale Kontrolleur des ganzen Prozesses. Viele ausländische Käufer unterschätzen das. Sie denken, ein Makler, ein Kaufvertrag und eine Überweisung reichen aus. Tatsächlich brauchst du mindestens fünf Schritte, drei verschiedene Behörden, einen Anwalt und ein italienisches Bankkonto, bevor du die Schlüssel in der Hand hältst.
Erster Schritt: Der Codice Fiscale und das italienische Bankkonto
Bevor du auch nur ein Angebot abgibst, brauchst du eine italienische Steuernummer: den Codice Fiscale. Ohne diese Nummer kannst du keinen Kaufvertrag unterschreiben, kein Bankkonto eröffnen und keine Steuern zahlen. Du bekommst sie bei jeder italienischen Botschaft oder beim örtlichen Finanzamt (Agenzia delle Entrate). Die Anmeldung dauert meistens 1-2 Wochen. Viele Käufer warten zu lange damit - und verlieren wertvolle Zeit.
Danach kommt das Bankkonto. Deutsche, Franzosen oder Briten können nicht einfach mit ihrem deutschen Konto zahlen. Italienische Banken verlangen den Codice Fiscale, einen gültigen Reisepass und oft auch einen Nachweis deines Wohnsitzes im Heimatland. Die Bearbeitungszeit liegt zwischen 7 und 14 Tagen. Einige Banken verlangen sogar einen Mindestguthaben von 5.000 EUR. Du brauchst dieses Konto, um die Anzahlung, die Maklergebühren und die Notarkosten zu zahlen. Ohne Konto - kein Kauf.
Das Kaufangebot: Was du wirklich bezahlst
Wenn du eine Immobilie findest, machst du ein formelles Angebot: die Offerta. Das ist kein unverbindliches Interesse. Es ist ein rechtlich bindendes Dokument. Du gibst dem Verkäufer eine Anzahlung - die sogenannte Caparra Confirmatoria. Wie viel? Die meisten Makler sagen 10 % des Kaufpreises. Das ist der Standard. Einige verlangen nur 2 %, andere bis zu 20.000 EUR, egal wie teuer die Immobilie ist. Wichtig: Wenn du dich später zurückziehst, verlierst du diese Summe. Wenn der Verkäufer abspringt, muss er das Doppelte zurückzahlen. Das ist kein Pfand - das ist eine Strafzahlung.
Die Anzahlung wird meistens bei der Unterzeichnung des Vorvertrags fällig. Aber schon jetzt: Du hast dich verpflichtet. Kein Rückzieher ohne Kosten. Viele Käufer merken erst später, dass sie den Verkäufer mit dieser Anzahlung quasi in die Hand gespielt haben. Ein Anwalt sollte das Angebot prüfen, bevor du unterschreibst.
Der Vorvertrag: Compromesso - Der entscheidende Moment
Der nächste Schritt ist der Contratto preliminare di vendita, kurz Compromesso. Das ist der echte Vertrag. Hier steht: Wer kauft, was, für wie viel, wann wird gezahlt, und welche Bedingungen gelten. Diese Unterzeichnung findet normalerweise 1-3 Monate nach dem Angebot statt. Du zahlst jetzt weitere 10-30 % des Kaufpreises. In der Praxis sind es meistens 20 %.
Doch hier passiert etwas, das viele vergessen: Der Vorvertrag muss innerhalb von 20 Tagen beim Katasteramt registriert werden. Das kostet etwa 200 EUR plus 16 EUR Stempelgebühr pro Seite. Ohne Registrierung ist der Vertrag rechtlich schwach. Du hast zwar den Vertrag, aber kein öffentliches Recht darauf. Und: Der Notar prüft jetzt den Eigentumsstand. Ist die Immobilie wirklich frei von Hypotheken? Gibt es Baugenehmigungen? Ist der Anbau legal? Der Notar prüft das nicht. Du musst das selbst tun. Ein Anwalt macht das für dich. Sonst riskierst du, eine Immobilie zu kaufen, die du nie legal bewohnen darfst.
Die Due-Diligence-Prüfung: Was der Notar nicht macht
Der Notar ist kein Bauprüfer. Er ist kein Architekt. Er prüft nicht, ob die Terrasse genehmigt ist, ob der Keller wasserdicht ist oder ob die Heizung den Vorschriften entspricht. Das ist deine Aufgabe. Und das ist der größte Fehler, den ausländische Käufer machen.
Im Zeitraum von 2019 bis 2022 wurden laut italienischen Gerichtsakten 23 % aller Immobilienkäufe durch ausländische Käufer storniert - nicht wegen Preisstreitigkeiten, sondern wegen unentdeckter Baugenehmigungsprobleme. Ein Käufer aus München kaufte 2021 ein Haus in Sizilien. Der Verkäufer hatte eine Terrasse ohne Genehmigung gebaut. Der Notar unterschrieb den Vertrag. Der Käufer zog ein. Drei Monate später kam die Gemeinde und verlangte die Abrisskosten von 45.000 EUR. Der Käufer hatte keine Prüfung gemacht. Kein Anwalt. Kein Baugutachter.
Die Due-Diligence-Prüfung muss drei Dinge abdecken: 1) Eigentumsnachweis beim Katasteramt (Conservatoria e Catasto), 2) Baugenehmigungen und städtebauliche Zulassungen, 3) Hypotheken und Lasten. Du brauchst einen Anwalt, der Italienisch kann und mit dem Katasteramt arbeitet. Die Kosten liegen zwischen 1.500 und 5.000 EUR. Das ist kein Luxus - das ist Versicherung.
Steuerlast: Was du wirklich bezahlst - nicht nur den Kaufpreis
Der Kaufpreis ist nur die Hälfte der Wahrheit. Die Nebenkosten liegen zwischen 8 % und 15 % des Kaufpreises. Und das hängt davon ab, ob es eine Neubau- oder eine Gebrauchtimmobilie ist.
Für eine Neubau-Immobilie zahlst du Mehrwertsteuer (IVA): 10 %, wenn es keine Luxusimmobilie ist (nicht im Grundbuch als "casa di lusso" eingetragen). Sonst 20 %. Dazu kommen Grundbuchsteuern: 2 % für Neubauten. Kein 10 %, kein 17 % - nur 2 %. Das ist ein großer Unterschied.
Für eine Gebrauchtimmobilie ist es anders. Hier fällt keine Mehrwertsteuer an, aber dafür Grundbuchsteuern: 9 % für städtische Immobilien, 17 % für ländliche. Das ist ein riesiger Unterschied. Ein Haus in der Toskana mit 500.000 EUR Kaufpreis: Bei Neubau zahlt du 50.000 EUR MwSt. + 10.000 EUR Grundbuchsteuer = 60.000 EUR Nebenkosten. Bei Gebrauchtimmobilie: 45.000 EUR Grundbuchsteuer + 10.000 EUR Notar + 15.000 EUR Makler = 70.000 EUR Nebenkosten. Der Preis ist gleich - aber die Kosten sind anders.
Und dann kommt der Notar. Seine Gebühren liegen zwischen 1,5 % und 3 % des Kaufpreises. Sie sind gesetzlich festgelegt, aber je nach Stadt und Immobilienwert variieren sie. Ein Haus in Rom kostet mehr Notargebühren als ein Haus in einer kleinen Gemeinde. Der Makler kassiert 2-3 %. Und du musst noch die Registrierungsgebühren, die Übersetzungen, die Rechtsberatung und die Katasterprüfung bezahlen. Insgesamt: 10-15 % des Kaufpreises sind realistisch. Ein Haus für 400.000 EUR kostet dich 40.000-60.000 EUR zusätzlich.
Der Notar: Dein Schutz - oder dein Hindernis?
Der Notar ist der einzige, der den finalen Vertrag (Rogito Notarile) unterzeichnet. Er ist kein Vertreter von dir. Er ist kein Vertreter vom Verkäufer. Er ist ein öffentlicher Beamter. Seine Pflicht: Die Identität der Parteien prüfen, die Rechtmäßigkeit des Verkaufs bestätigen, die Zahlung des Kaufpreises entgegennehmen und die Schlüsselübergabe begleiten.
Er prüft nicht, ob die Immobilie legal gebaut ist. Er prüft nicht, ob die Zähler korrekt sind. Er prüft nicht, ob die Dachrinnen ausreichend sind. Er prüft nur, ob der Verkäufer der Eigentümer ist, ob keine Pfandrechte bestehen, und ob die Steuern bezahlt sind. Alles andere ist deine Verantwortung. Viele Käufer glauben, der Notar schützt sie. Das ist ein Irrtum. Er schützt den Staat. Du musst dich selbst schützen.
Aber: 82 % der ausländischen Käufer bewerten den Notarprozess als "professionell und transparent". Warum? Weil er klar, strukturiert und rechtlich sicher ist. Wenn du alles vorher geprüft hast, läuft er reibungslos. Der Notar zahlt den Verkäufer erst, wenn der ganze Betrag auf seinem Konto ist. Er registriert den Kauf im Kataster. Und er stellt dir den offiziellen Vertrag aus - das ist dein neues Eigentumsrecht.
Was sich 2025 ändert: Digitalisierung und neue Steuern
Die Regierung plant bis Ende 2024 einen vollständig digitalen Kaufprozess. Du wirst den Notarvertrag online unterschreiben können. Die Registrierung des Vorvertrags dauert heute nur noch 7 Tage - vor drei Jahren waren es 15. Die Katasterprüfung läuft zu 42 % online. Das ist ein großer Fortschritt.
Ab Januar 2025 soll es eine neue Grundbuchsteuer geben: 9 % für alle Immobilien - egal ob Neubau, Gebraucht, Stadt oder Land. Das vereinfacht alles. Kein 10 %, kein 17 % mehr. Nur 9 %. Das wird viele ausländische Investoren anziehen. Die Prognose: Ein Anstieg der Käufe um 12-15 % im Jahr 2025.
Aber: 37 % der italienischen Gemeindeverwaltungen haben nicht genug IT-Sicherheit. Online-Transaktionen sind schneller - aber auch anfälliger für Betrug. Ein Hacker könnte eine E-Mail mit gefälschten Bankdaten senden. Ein Anwalt sollte dir immer die Kontodaten bestätigen - per Telefon, per Brief, per persönlicher Treffen. Nie nur per E-Mail.
Was du wirklich brauchst: Die Checkliste für den Kauf
- Codice Fiscale - beantragen, bevor du ein Angebot machst
- Italienisches Bankkonto - eröffnen, sobald du die Steuernummer hast
- Anwalt für italienisches Immobilienrecht - einbinden, sobald du ein Angebot abgibst
- Due-Diligence-Prüfung - Eigentumsstand, Baugenehmigungen, Lasten
- Formelles Kaufangebot - mit 10 % Anzahlung (Caparra Confirmatoria)
- Vorvertrag (Compromesso) - unterschreiben, registrieren, 20-30 % zahlen
- Notarvertrag (Rogito) - unterschreiben, letzte Zahlung, Schlüsselübergabe
- Steuererklärung - nach dem Kauf: Erklärung an die Agenzia delle Entrate
Warum 68 % der Probleme vermeidbar sind
Ein Anwalt kostet 1.500-5.000 EUR. Ein Haus kostet 300.000-800.000 EUR. Die Frage ist nicht: Kann ich mir das leisten? Sondern: Kann ich mir einen Fehler leisten?
Ein Nutzer aus Berlin kaufte 2023 ein Haus in Ligurien. Er vertraute auf den Makler. Kein Anwalt. Keine Prüfung. Nach sechs Monaten kam die Gemeinde: Die Garage war illegal. Der Käufer musste 28.000 EUR zahlen, um sie legalisieren zu lassen. Er hätte 3.000 EUR für einen Anwalt ausgeben können - und 25.000 EUR gespart.
Die meisten Probleme entstehen nicht durch Betrug. Sie entstehen durch Unwissenheit. Du kaufst ein Haus in Italien. Du verstehst nicht, wie das Recht funktioniert. Du glaubst, ein Vertrag ist ein Vertrag. Aber in Italien ist ein Vertrag erst dann gültig, wenn alle Dokumente stimmen, alle Genehmigungen da sind, und alle Behörden zustimmen. Das ist kein Prozess - das ist ein System. Und du musst dich in dieses System einfügen. Mit einem Anwalt. Mit einem Plan. Mit Geduld.
