Stellen Sie sich vor, Sie leben in einem denkmalgeschützten Gründerzeit-Haus in Wien. Die Wände sind dick, aus Ziegel und Kalkmörtel gebaut, und sie atmen. Doch im Winter wird es kalt, die Heizkosten steigen, und irgendwo hinter dem Tapetenrand bildet sich Schimmel. Was tun? Eine Außendämmung ist verboten - sie würde das historische Fassadenbild zerstören. Eine konventionelle Innendämmung mit Folie? Risiko: Feuchteschäden, Schimmel, beschädigte Substanz. Die Lösung? Kapillaraktive und diffusionsoffene Wärmedämmung.
Warum normale Innendämmung in alten Häusern scheitert
Viele denken: Wenn es kalt ist, braucht man einfach mehr Dämmung. Aber in historischen Gebäuden ist das nicht so einfach. Die Wände aus dem 19. Jahrhundert sind nicht wie moderne Betonwände. Sie sind porös, feuchtigkeitsregulierend, und sie speichern Feuchtigkeit - nicht als Problem, sondern als natürlichen Teil ihres Aufbaus. Wenn Sie eine moderne, dampfdichte Dämmung aus Polystyrol oder Polyurethan dagegen kleben, blockieren Sie diesen natürlichen Austausch. Die Feuchtigkeit aus der Luft, die durch Kochen, Duschen oder Atmen entsteht, kann nicht mehr nach außen entweichen. Sie bleibt hängen. Und wo sie bleibt, wächst Schimmel. Das ist kein Theorie-Problem. In 45 % der fehlgeschlagenen Innendämmungen ist genau das der Grund: falsche Materialwahl.Was ist kapillaraktiv und diffusionsoffen?
Kapillaraktiv bedeutet: Der Baustoff kann Flüssigwasser aufnehmen und transportieren - wie ein Schwamm, der Wasser von innen nach außen leitet. Diffusionsoffen bedeutet: Wasserdampf kann durch das Material hindurchziehen, wie Luft durch ein Sieb. Beides zusammen sorgt dafür, dass die Wand nicht nur wärmt, sondern auch atmet. Das ist der Schlüssel. Keine Folie. Kein Stau. Kein Schimmel. Stattdessen: eine kontrollierte, sanfte Feuchteregulation. Die wichtigsten Materialien dafür sind Kalziumsilikatplatten. Sie haben eine Rohdichte von 220-260 kg/m³, eine Wärmeleitfähigkeit von 0,045-0,055 W/(m·K) und können bis zu 30 % ihres Volumens an Wasser aufnehmen, ohne zu schaden. Das ist viel weniger als Polyurethan, das nur 0,022-0,028 W/(m·K) hat. Aber das ist nicht der Punkt. Es geht nicht um die höchste Dämmleistung - es geht um die richtige Dämmleistung für denkmalgeschützte Bausubstanz.Wie funktioniert das System?
Es ist kein einzelner Stein, sondern ein System. Die Dämmplatte allein reicht nicht. Sie muss mit einem speziellen Klebemörtel verarbeitet werden. Und hier liegt der entscheidende Unterschied: Der Mörtel hat eine höhere Wärmeleitfähigkeit (0,85-1,2 W/(m·K)) als die Platte, aber einen viel größeren Diffusionswiderstand (μ-Wert 15-25). Das klingt kompliziert, ist aber einfach: Der Mörtel leitet Wärme schlechter als die Platte, aber er lässt Dampf besser durch. So wird die Feuchtigkeit nicht in der Platte gestaut, sondern sanft nach außen transportiert - durch die Platte, durch den Mörtel, bis sie an der Außenwand verdunstet. Die Dämmstärke liegt meist zwischen 40 und 120 mm. Für die gleiche Dämmwirkung wie eine 6 cm starke Außendämmung brauchen Sie hier 12 cm Innendämmung. Das ist viel. Aber in einem denkmalgeschützten Raum ist das oft der einzige Weg. Und es hat einen Vorteil: Die Wand bleibt warm. Nicht nur die Luft, sondern auch die Mauer selbst. Das verhindert Kondenswasserbildung an kalten Stellen - besonders an Fensterlaibungen, wo Schimmel oft beginnt.Was sagt die Forschung?
Experten wie Dipl.-Ing. Ansgar Brockmann und Dr.-Ing. Roswitha Kaiser von der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger sagen klar: „Die kapillaraktive Innendämmung ist die einzige bauphysikalisch sichere Lösung für denkmalgeschützte Gebäude.“ Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) bestätigt: Nur diese Methode kombiniert Energieeinsparung mit Substanzerhalt. Und das ist kein Marketing-Gesicht. Es ist bauphysikalische Realität. Aber es gibt auch Kritik. Dr. Thomas Künzel vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik warnt: „In 30 % der Fälle treten trotz fachgerechter Planung lokale Feuchteschäden auf.“ Warum? Weil die Kapillarleitfähigkeit des alten Mauerwerks nicht richtig analysiert wurde. Oder weil der falsche Klebemörtel verwendet wurde. Oder weil die Anschlüsse an Fenster und Türen nicht dicht, aber diffusionsoffen verarbeitet wurden. Die Fehler liegen nicht im Material, sondern in der Ausführung.
Was kostet das?
Eine kapillaraktive Innendämmung kostet zwischen 115 und 145 Euro pro Quadratmeter, brutto. Kalziumsilikatplatten liegen bei 125-145 €/m², Zelluloseflocken etwas günstiger bei 115-130 €/m². Die Remmers PU-Variante mit Streifen und Mörtel kostet 135-155 €/m². Das ist teurer als eine normale Innendämmung. Aber es ist nicht teurer als ein Schimmelbefall, der 10.000 Euro an Sanierungskosten verursacht - und das historische Mauerwerk zerstört. Und hier kommt die Förderung ins Spiel. Das Bundesprogramm „Energieeffizient Sanieren“ zahlt bis zu 20 % der Kosten. Bei denkmalgeschützten Gebäuden gibt es zusätzlich bis zu 25.000 Euro von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Das macht die Investition deutlich attraktiver. Und ab 2024 soll die Förderquote sogar auf 25 % steigen - ein Zeichen, dass die Politik endlich versteht, dass Denkmalschutz und Energieeffizienz nicht gegeneinander laufen.Was sagen Nutzer?
In Online-Foren wie Altbauwelt.de berichten Nutzer gemischt. Ein Nutzer schreibt: „Nach fünf Jahren mit Kalziumsilikatplatten: keine Schimmelprobleme, aber Heizkosten sanken nur um 15 %.“ Ein anderer: „Mit Remmers PU habe ich 30 % eingespart - aber nach drei Jahren Schimmel an den Fenstern.“ Was ist der Unterschied? Die Ausführung. Der erste hatte eine fachgerechte Planung, der zweite nicht. Die Erfahrung zeigt: Wer die Bauphysik versteht, hat Erfolg. Wer nur den billigsten Anbieter wählt, zahlt später doppelt. Ein Architekturbüro in Graz schreibt: „Die Luftfeuchtigkeit im Raum schwankt nicht mehr so stark. Im Winter ist es angenehmer, kein trockenes, stickiges Klima mehr.“ Das ist ein unsichtbarer, aber wertvoller Vorteil: ein besseres Raumklima. Keine trockenen Schleimhäute. Keine ständige Heizung auf Volllast. Einfach nur angenehmer zu leben.Wie wird es richtig geplant?
Es gibt keine Standardlösung. Jedes Gebäude ist anders. Die Feuchteschutzberechnung muss nach DIN 4108-3 und DIN 13788 erfolgen. Das bedeutet: Der Bauphysiker muss wissen, wie viel Feuchtigkeit die Wand aus dem Inneren aufnimmt, wie viel sie nach außen abgeben kann, und wie die Temperaturverteilung im Wandquerschnitt aussieht. Das ist kein Job für den Tischler oder den Maler. Das ist Arbeit für einen Spezialisten mit mindestens 40 Stunden Weiterbildung. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) bietet seit 2020 einen 3-tägigen Lehrgang „Innendämmung im Denkmal“ an - und 2022 haben ihn 147 Fachleute besucht. Das ist immer noch zu wenig. Aber es ist ein Anfang.

Kommentare (1)
edward jones
Dezember 18, 2025 AT 10:16Ich hab's versucht - und jetzt hängt mein ganzer Wohnzimmerwall voller Schimmel! 🤦♂️😂 Wer sagt, dass kapillaraktiv = kein Schimmel? Ich hab den teuren Kram genommen - und trotzdem: Kondenswasser an den Fenstern! Wer hat noch so ein Erlebnis?