Seit 2020 hat sich das Arbeiten von zu Hause aus nicht als vorübergehende Ausnahme erwiesen, sondern als dauerhafte Veränderung. Heute, im Jahr 2025, ist Homeoffice für fast jedes siebte Arbeitsverhältnis in Deutschland Standard. Und diese Veränderung hat einen tiefgreifenden Einfluss darauf, wo Menschen wohnen wollen - und wie viel sie dafür zahlen. Die klassische Vorstellung, dass man in der Innenstadt wohnen muss, weil man jeden Tag ins Büro fährt, ist obsolet. Stattdessen entscheiden sich immer mehr Menschen dafür, wo sie leben, basierend auf Raum, Ruhe und Internet - nicht auf Bus- oder U-Bahn-Anbindung.
Was bedeutet Homeoffice für die Wohnungsgröße?
Früher reichte eine 50-Quadratmeter-Wohnung für ein Paar in der Stadt. Heute nicht mehr. Wer drei Tage pro Woche im Homeoffice arbeitet, braucht einen separaten Arbeitsbereich. Das ist kein Luxus mehr, sondern eine Grundvoraussetzung. Laut Lienemann-Immobilien suchen Käufer und Mieter heute gezielt nach Wohnungen ab 80 Quadratmetern, die einen klaren Trennungsraum bieten. Ein kleiner Schreibtisch vor dem Fenster reicht nicht mehr aus. Es geht um einen abgegrenzten Bereich, der ruhig ist, gut belüftet und mit stabilem Internet ausgestattet ist.In Berlin, München oder Hamburg werden Wohnungen mit festem Arbeitszimmer bis zu 15 Prozent teurer als vergleichbare Wohnungen ohne. Wer ein separates Zimmer hat, das nur für die Arbeit genutzt wird, kann im Mietvertrag oder beim Verkauf einen klaren Preisvorteil verlangen. Und das nicht nur, weil es praktisch ist - sondern weil die Nachfrage so hoch ist. Auf Immobilienportalen wie ImmobilienScout24 wird „Homeoffice-tauglich“ mittlerweile genauso häufig genannt wie „Hundeverbot“ oder „Barrierefrei“.
Die Stadtflucht ist real - und sie hat Preise verändert
Wer nicht mehr täglich ins Büro fahren muss, fragt sich: Warum sollte ich in der teuren Innenstadt wohnen, wenn ich auch 30 Minuten außerhalb genauso gut arbeiten kann? Die Antwort: Meistens, muss er nicht. Die BBSR-Studie bestätigt: Die Abwanderung aus Großstädten in das Umland beschleunigt sich. In Brandenburg, Thüringen oder dem südlichen Niedersachsen ist die Nachfrage nach Einfamilienhäusern mit eigenem Arbeitszimmer seit 2022 um 23 Prozent gestiegen. Die Preise steigen dort zwar - aber viel langsamer als in Hamburg oder Frankfurt.In der Innenstadt dagegen stagnieren die Preise für kleine Wohnungen. Wohnungen unter 60 Quadratmetern in zentralen Lagen verlieren an Wert - nicht weil sie schlecht sind, sondern weil sie nicht mehr passen. Ein 45-Quadratmeter-Apartment mit nur einem Zimmer ist für einen Remote Worker heute eine unattraktive Option. Die Konkurrenz um größere Wohnungen ist so groß, dass Käufer oft innerhalb von 48 Stunden entscheiden - und manchmal sogar über dem Angebot liegen. Wer in der Stadt bleiben will, muss mehr bezahlen - oder akzeptieren, dass der Arbeitsbereich im Schlafzimmer bleibt.
Was macht eine Wohnung „homeoffice-tauglich“?
Es geht nicht nur um einen zusätzlichen Raum. Es geht um die Details. Wer heute eine Wohnung sucht, die für Remote Work geeignet ist, achtet auf:- Stabiles Highspeed-Internet - mindestens 100 Mbit/s Downstream, besser 250 Mbit/s. In ländlichen Regionen ist das noch immer kein Selbstläufer - aber die Bundesregierung investiert massiv in den Ausbau.
- Abgrenzung vom Wohnbereich - eine Trennwand, ein Raumteiler oder sogar eine zweite Tür machen den Unterschied. Viele Vermieter lassen heute Trennwände einbauen, um die Miete zu erhöhen.
- Stille Lage - wer in einer Wohnung neben der Straße oder direkt über einer Bar wohnt, hat mit Homeoffice Probleme. Ruhe ist ein entscheidender Faktor.
- Flexibler Grundriss - offene Wohnküchen, die sich mit Möbeln in Bereiche gliedern lassen, sind beliebt. Ein Zimmer, das man als Gästezimmer oder Hobbyraum nutzen kann, ist ideal, wenn es plötzlich zum Büro wird.
Einige Immobilienentwickler haben das verstanden. In Hamburg und Berlin entstehen neue Wohnprojekte mit integrierten Coworking-Spaces im Haus. Statt jedes Apartment mit eigenem Büro auszustatten, gibt es einen gemeinsamen Arbeitsbereich mit Druckern, Besprechungsräumen und ruhigen Zonen. Das spart Platz - und schafft Community. Für Single-Haushalte oder Paare ohne Kinder ist das eine attraktive Alternative.
Der Büroimmobilienmarkt bricht ein - und das hat Folgen
Während Wohnungen mit Homeoffice-Optionen teurer werden, sinkt die Nachfrage nach klassischen Büroflächen dramatisch. Laut ifo-Institut und Colliers ist die Leerstandsquote in den sieben größten deutschen Städten von unter 3 Prozent im Jahr 2019 auf über 6 Prozent im Jahr 2025 gestiegen. Das ist kein kleiner Rückschlag - das ist ein struktureller Wandel.Warum? Weil viele Unternehmen nicht mehr so viele Flächen brauchen. Einige haben ihre Büros verkleinert, andere haben ganz auf Hybrid-Modelle umgestellt. Die Folge: Tausende Quadratmeter Bürofläche stehen leer - besonders in alten, nicht modernisierten Gebäuden. Die Mietpreise für diese Flächen sind eingebrochen. Gleichzeitig steigen die Preise für moderne Büroflächen mit Licht, Luft und Technik - um bis zu 8,5 Prozent pro Jahr. Es gibt also keinen einheitlichen Büromarkt mehr. Es gibt zwei: einen für die Zukunft - und einen, der langsam verschwindet.
Was das für Wohnlagen bedeutet? Viele ehemalige Bürobauten werden in Wohnungen umgewandelt. In Frankfurt und Köln entstehen aus alten Bankgebäuden jetzt Wohnungen mit hohen Decken, großen Fenstern und integrierten Arbeitszonen. Das ist kein Zufall - das ist die Antwort auf die Nachfrage.
Was bedeutet das für Investoren und Eigentümer?
Wenn Sie eine Wohnung besitzen, die noch aus den 90er Jahren stammt und nur 50 Quadratmeter groß ist, sollten Sie sich fragen: Passt sie noch in die Zukunft? Wenn ja - dann ist der Wert stabil. Wenn nein - dann wird sie schwerer zu vermieten oder zu verkaufen.Ein paar einfache Umbauten können viel bringen: Ein Raumteiler, ein zweiter Stromkreis für den PC, ein separates Netzwerkkabel, eine bessere Isolierung gegen Lärm - das kostet 2.000 bis 5.000 Euro, aber kann den Verkaufspreis um bis zu 12 Prozent steigern. Das ist eine Rendite, die kaum andere Investitionen in der Immobilie bieten.
Investoren, die in Büroflächen investiert haben, müssen jetzt entscheiden: Sanieren oder verkaufen? Wer die Fläche in eine Wohnnutzung umwandelt, profitiert von der steigenden Nachfrage. Wer auf den klassischen Büromarkt setzt, riskiert hohe Verluste - besonders, wenn der Mietvertrag in den nächsten zwei Jahren ausläuft.
Was kommt als Nächstes?
Die Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. Die Owl Labs-Studie prognostiziert, dass bis 2027 über 40 Prozent der deutschen Arbeitnehmer mindestens zwei Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten werden. Das bedeutet: Die Nachfrage nach Wohnraum mit Arbeitsplatz wird weiter steigen. Gleichzeitig wird die Innenstadt nicht verschwinden - aber sie wird sich verändern. Weniger Büroflächen, mehr Wohnungen, mehr Cafés, mehr Kitas, mehr Gemeinschaftsräume.Die Preisdifferenz zwischen Stadt und Land wird sich bis 2030 um weitere 15 bis 20 Prozent verringern. Wer heute in der Stadt wohnt, zahlt noch immer mehr - aber der Abstand wird kleiner. Wer heute in die Provinz zieht, kauft nicht nur günstiger - er kauft auch zukunftssicherer. Denn wer arbeitet, wo er will, braucht nicht mehr, wo die Bahn hinfährt. Er braucht, wo er gut leben kann.
Ist eine Wohnung ohne eigenes Arbeitszimmer noch zu verkaufen?
Ja, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Kleine Wohnungen unter 60 Quadratmetern in zentraler Lage werden immer noch verkauft - meist an Singles, Studenten oder Menschen, die nur selten im Homeoffice arbeiten. Doch die Nachfrage ist rückläufig. Wer eine Wohnung ohne separaten Arbeitsbereich verkaufen will, muss entweder deutlich günstiger anbieten oder einen Umbau anbieten - etwa durch einen einbaubaren Raumteiler oder eine Möbelwand, die als Arbeitsplatz dient. Viele Käufer fragen heute direkt nach: „Gibt es einen Platz, an dem man arbeiten kann?“ - und wenn die Antwort „nein“ lautet, ist die Wohnung oft schon ausgeschieden.
Welche Regionen profitieren am meisten vom Homeoffice-Trend?
Regionen mit guter Internetinfrastruktur, günstigen Preisen und naher Natur profitieren am stärksten. Dazu gehören das Umland von Hamburg (z. B. Lüneburger Heide), das Rhein-Main-Gebiet außerhalb von Frankfurt, das Land um Stuttgart (z. B. Rems-Murr-Kreis), sowie Teile von Brandenburg und Thüringen. Auch die Ostseeküste und das Allgäu erleben einen Anstieg an Zuzügen - nicht nur von Rentnern, sondern von jungen Familien und Single-Profis, die ihre Arbeit von überall erledigen können. Wichtig ist: Der Ort muss mindestens 100 Mbit/s Internet bieten. Ohne das funktioniert Homeoffice nicht.
Sollte ich mein Haus umbauen, um es als Homeoffice-tauglich zu vermarkten?
Ja - besonders, wenn Sie planen, das Haus in den nächsten fünf Jahren zu verkaufen. Selbst eine kleine Umgestaltung wie ein Raumteiler, eine Steckdosenleiste mit USB-Anschlüssen, eine bessere Beleuchtung und ein stabiles WLAN-Netzwerk erhöhen den Wert. Ein separater Arbeitsbereich, selbst wenn er nur 8 Quadratmeter groß ist, macht die Immobilie attraktiver für bis zu 70 Prozent der Käufer. Wer einen Schreibtisch in den Keller stellt oder den Balkon als Arbeitsplatz nutzt, verliert an Glaubwürdigkeit. Ein echter, abgegrenzter Raum ist der Schlüssel.
Warum steigen die Mieten in der Innenstadt trotz geringer Nachfrage nicht?
Weil die Nachfrage nicht gleichmäßig ist. Es gibt nicht weniger Mieter - aber weniger, die eine kleine Wohnung in der Innenstadt wollen. Die meisten suchen jetzt größere Wohnungen mit Arbeitszimmer. Das führt zu einer Verknappung genau dieser Objekte - und damit zu höheren Preisen für sie. Kleinere Wohnungen bleiben zwar im Angebot, aber die Nachfrage sinkt. Das führt zu stagnierenden oder sogar leicht fallenden Mieten. Es ist kein Marktverfall - es ist eine Neuausrichtung.
Wie beeinflusst Homeoffice die Zukunft von Städten?
Städte werden weniger von Büros, sondern mehr von Wohnen, Leben und Gemeinschaft geprägt. Leere Bürogebäude werden zu Wohnungen, Kitas, Fitnessstudios oder Kulturzentren. Die Straßen werden ruhiger - weniger Pendler, weniger Stau, weniger Lärm. Die Innenstadt verliert ihre Rolle als Arbeitsort - und gewinnt ihre Rolle als Lebensort zurück. Das ist kein Rückschritt - das ist eine Rückkehr zu dem, was Städte eigentlich sind: Orte, an denen Menschen zusammenleben, nicht nur arbeiten.

Kommentare (2)
Koen Ellender
Dezember 9, 2025 AT 06:14Es ist faszinierend, wie sich der Raum, den wir für Arbeit beanspruchen, zu einem Spiegel unserer Identität entwickelt hat. Früher war das Büro ein Ort, heute ist es ein Zustand. Wer einen separaten Arbeitsraum braucht, sucht nicht nur nach vier Wänden – er sucht nach Autonomie, nach Kontrolle über seine Zeit, nach einer klaren Trennung zwischen ‘Ich’ und ‘Arbeit’. Das ist keine bloße Immobilienentwicklung – das ist eine anthropologische Wende.
Wir haben nicht nur unsere Arbeitsplätze verlegt, wir haben unsere Lebensphilosophie neu definiert. Und das ist, ehrlich gesagt, die tiefgreifendste Veränderung seit der Industrialisierung.
Frank Vierling
Dezember 9, 2025 AT 07:18Leute, das ist doch nur ein billiger Trick von Immobilienmaklern, um teurere Wohnungen zu verkaufen. Wer braucht schon ein extra Zimmer fürs Homeoffice? Ich arbeite vom Sofa aus, mit Laptop auf dem Bauch – funktioniert perfekt. Die, die jetzt 80 Quadratmeter brauchen, hatten eh zu viel Geld und zu wenig Lebensrealität.
Und nein, ich will nicht über ‘Internetstabilität’ reden – ich hab 200 Mbit und trotzdem klemmt’s. Also stoppt den Hype.