Wenn Ihre Wände plötzlich Risse bekommen - besonders wenn sie sich über mehrere Stockwerke ziehen oder sich nach einem Regen noch weiter öffnen - dann liegt es nicht an schlechtem Putz. Das ist ein Setzungsriss. Und der ist kein kosmetisches Problem. Er zeigt, dass Ihr Haus absackt. Nicht überall gleich, nicht gleichmäßig. Ein Teil des Fundaments versinkt tiefer als der andere. Und wenn Sie nichts tun, werden die Risse größer. Die Türen klemmen. Die Fenster gehen nicht mehr zu. Irgendwann ist das Haus nicht mehr sicher.
Was genau ist eine Untermauerung?
Untermauerung ist kein Zaubertrick. Es ist eine präzise, technische Methode, um das Fundament eines Hauses von unten zu stabilisieren. Stellen Sie sich vor, Ihr Haus steht auf einem Boden, der nachgibt. Ein Teil sinkt ein. Die Untermauerung greift genau dort an: Sie baut eine neue, stabile Trägerstruktur unter das alte Fundament. Diese neue Struktur nimmt die Last des Hauses auf - und leitet sie auf festen Boden, der nicht mehr absackt.
Dabei wird das Haus nicht angehoben, als wäre es ein Auto auf einer Hebebühne. Es wird vorsichtig, Schritt für Schritt, wieder in die waagerechte Lage gebracht. Und danach bleibt es dort. Die Risse stoppen. Die Struktur wird stabil. Die Sanierung ist kein Ersatz für ein neues Haus. Sie ist die letzte Möglichkeit, ein altes Gebäude zu retten - ohne es abzureißen.
Wie funktioniert die Untermauerung technisch?
Es gibt zwei Hauptverfahren, die heute in Deutschland Standard sind: die Injektionstechnik und die Nachgründung mit Segmentpfählen.
Die Injektionstechnik ist die schnellere, weniger invasive Variante. Unter das Fundament wird ein spezielles zweikomponentiges Polyurethanharz gepresst. Dieses Harz ist flüssig, als es eingebracht wird. Innerhalb von 15 bis 45 Sekunden dehnt es sich aus - bis zu 30 Mal sein ursprüngliches Volumen. Es presst sich in alle Hohlräume unter dem Fundament und hebt es sanft an. Die Hebungsrate ist kontrolliert: maximal 1 Millimeter pro Minute. Zu schnell, und die Risse würden sich weiter öffnen. Zu langsam, und die Sanierung dauert zu lange. Die Tragfähigkeit des Bodens steigt von typischen 100 kN/m² auf über 400 kN/m². Das ist genug, um die meisten Einfamilienhäuser dauerhaft zu stabilisieren.
Die Nachgründung mit Segmentpfählen ist die kraftvollere Methode. Hier werden kurze, stabile Betonsegmente (jedes etwa 50 Zentimeter lang) von unten in den Boden hineingedrückt. Mit hydraulischen Pressen wird jede Segmentstufe um 1,2 bis 1,8 Meter Abstand unter das Fundament geschoben. Die Presskraft liegt bei 1,5 bis 2,5 Meganewton - das entspricht dem Gewicht von mehreren Lastwagen. Nach 12 bis 18 Segmenten ist das Fundament auf einem neuen, tragfähigen Fundament abgelegt. Diese Methode ist teurer, aber sie funktioniert auch bei schwereren Gebäuden oder bei Böden, die nicht gut für Harze geeignet sind.
Wann ist eine Untermauerung notwendig?
Nicht jeder Riss braucht eine Untermauerung. Ein schmaler, senkrechter Riss an der Wand? Das könnte ein Temperaturschwinden sein. Ein Riss, der sich nach dem Winter wieder schließt? Das ist wahrscheinlich kein Setzungsproblem.
Ein echter Setzungsriss hat diese Merkmale:
- Er verläuft diagonal - oft von der Ecke eines Fensters oder Türrahmens nach unten oder oben.
- Er ist breiter als 5 Millimeter.
- Er zieht sich über mehrere Stockwerke.
- Er öffnet sich weiter, wenn es regnet oder der Boden feucht wird.
- Die Türen oder Fenster klemmen, obwohl sie vorher gut liefen.
Wenn Sie das beobachten, brauchen Sie einen Baugutachter. Nicht jeden Handwerker. Nicht jeden Anbieter, der mit einem LKW vorfährt. Ein staatlich geprüfter Sachverständiger mit Zertifikat nach DIN EN ISO/IEC 17024. Er misst die Rissbreite über mindestens 6 Monate. Er prüft den Boden. Er untersucht, ob es ein Grundwasserproblem gibt. Er sagt: „Ja, das Haus sinkt.“ Oder: „Nein, das ist nur ein Oberflächenproblem.“
Ohne diese Diagnose ist jede Untermauerung ein Glücksspiel. Und das ist teuer.
Was kostet eine Untermauerung?
Die Kosten variieren stark - je nach Methode, Hausgröße und Bodenbedingungen.
Bei der Injektionstechnik liegen die Kosten zwischen 120 und 450 Euro pro laufendem Meter Fundament. Ein typisches Einfamilienhaus mit 20 Metern Fundamentlänge kostet also zwischen 2.400 und 9.000 Euro. Dazu kommen 1.200 bis 2.500 Euro für die statische Berechnung und die Genehmigung. Die gesamte Sanierung dauert meist 14 bis 21 Tage.
Bei der Nachgründung mit Segmentpfählen sind die Kosten höher: 250 bis 600 Euro pro laufendem Meter. Für dasselbe Haus bedeutet das 5.000 bis 12.000 Euro. Die Bauzeit liegt bei 20 bis 35 Tagen. Die Geräusche sind lauter. Die Baustelle ist größer. Aber die Stabilität ist dauerhafter.
Im Vergleich: Eine einfache Rissverpressung mit Epoxidharz kostet nur 40 bis 100 Euro pro Meter. Aber sie heilt nicht die Ursache. Sie verklebt nur die Oberfläche. Ein Haus in Stuttgart, das 2021 so behandelt wurde, hatte nach 18 Monaten erneut 8 Millimeter neue Setzung. Die Risse kamen zurück. Die Untermauerung ist teurer - aber sie ist die einzige Lösung, die wirklich wirkt.
Warum ist die Untermauerung besser als andere Methoden?
Viele Anbieter versprechen Wunder. Spiralanker. Rissverpressung. Dämmplatten unter dem Fundament. Aber die meisten sind nur Pflaster.
Spiralanker - wie sie oft in alten Häusern eingesetzt werden - ziehen das Mauerwerk zusammen. Sie halten die Risse vorübergehend geschlossen. Aber sie verändern nichts am Boden. Das Fundament sackt weiter. Die Last bleibt unverändert. Prof. Dr. Hans-Martin Schubert von der RWTH Aachen sagt es klar: „Spiralanker sind ein Pflaster auf der Wunde, nicht die Heilung der Ursache.“
Rissverpressung mit Harz ist nützlich für Risse, die durch Zugspannungen entstehen - etwa durch Temperaturschwankungen. Aber bei Setzungen? Die Risse öffnen sich weiter. Das Harz bricht. Die Wand bleibt instabil. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts zeigt: Bei Setzungen über 25 Millimeter ist die Rissverpressung völlig wirkungslos. Nur die Untermauerung stoppt die Bewegung.
Die Untermauerung ist die einzige Methode, die die Ursache bekämpft - nicht das Symptom.
Was sind die Risiken und Grenzen?
Keine Sanierung ist perfekt. Die Untermauerung hat ihre Grenzen.
Hoher Grundwasserspiegel: Wenn das Wasser unter dem Fundament höher als 1,5 Meter liegt, funktionieren hydraulische Pressen nicht richtig. Das Harz wird verdünnt. Die Pfähle können nicht richtig eingebracht werden. In solchen Fällen ist eine Untermauerung oft nicht möglich - oder extrem teuer.
Historische Gebäude: Bei alten Häusern mit dünnen Fundamenten (unter 30 Zentimeter) ist das Risiko hoch, dass das Fundament bei der Belastung bricht. Hier braucht es eine spezielle, angepasste Lösung - oft eine Kombination aus Injektion und Stahlträgern.
Unzureichende Planung: Der größte Fehler? Keine statische Berechnung. 37 Prozent der untersuchten Sanierungen hatten keine gültigen Nachweise. Die Anbieter versprechen „Wunderheilung“ - ohne zu wissen, wie viel Last das Haus wirklich trägt. Das führt zu Fehlern. 22 Prozent der Untermauerungen scheitern, weil sie falsch geplant wurden.
Leitungen beschädigen: In alten Häusern laufen Wasser- oder Abwasserleitungen oft unter dem Fundament. Beim Bohren oder Injizieren können sie beschädigt werden. 27 Prozent der Sanierungen führten zu Leckagen. Deshalb: Vorher alle Rohre prüfen. Mit Kamerabefahrung. Mit Bodenradar.
Was sagt die Praxis?
Die Erfahrungen von Hausbesitzern sind gemischt.
Ein Nutzer auf HausForum.de schreibt: „Nach drei Jahren keine neuen Risse. Aber die Kosten lagen 40 % über der ersten Kostenschätzung.“
Ein anderer klagt: „Die Maschinen haben den ganzen Tag gerauscht. Wir sind zwei Wochen aus dem Haus ausgezogen - obwohl sie gesagt hatten, wir könnten bleiben.“
Und das ist ein echtes Problem: Die Lärmbelästigung. 78 Prozent der Betroffenen bewerten sie als „störend bis unerträglich“. Die Bauzeit ist oft länger als versprochen - durchschnittlich 28 Tage, statt der angekündigten 16.
Aber es gibt auch positive Erfahrungen: 85 Prozent der Bewohner konnten während der Injektionsmethode in ihren Wohnungen bleiben. Bei traditionellen Nachgründungen war das nur bei 42 Prozent möglich. Und: 93,4 Prozent der Gebäude, die fachgerecht untermauert wurden, hatten nach 10 Jahren keine neuen Setzungsrisse - laut einer 10-Jahres-Studie des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung.
Was ändert sich in Zukunft?
Die Technik entwickelt sich weiter. Seit Anfang 2023 bietet URETEK ein bio-basiertes Harz an - zu 35 Prozent aus pflanzlichen Rohstoffen. Die CO2-Bilanz verbessert sich um 28 Prozent. Novatek hat ein KI-System entwickelt, das die optimale Hebungsrate berechnet - mit 92,4 Prozent Genauigkeit. Laserscanning dokumentiert Risse mit 0,05 Millimeter Präzision. IoT-Sensoren messen Setzungen in Echtzeit.
Die Zukunft liegt nicht nur in besseren Materialien, sondern in der Vorbeugung. Die Deutsche Gesellschaft für Geotechnik prognostiziert: Bis 2030 wird die Untermauerung als Sanierungsmaßnahme um 15 Prozent zurückgehen. Weil künftige Häuser schon beim Bau mit prädiktiver Bodenstabilisierung ausgestattet werden - mit Sensoren, die vorhersehen, wo der Boden nachgeben könnte.
Aber heute? Heute ist die Untermauerung die einzige echte Lösung für ein absackendes Haus. Wenn Sie sie brauchen - dann tun Sie es richtig. Mit Gutachter. Mit Statik. Mit Dokumentation. Und mit Geduld.
Was tun, wenn Sie Setzungsrisse haben?
- Beobachten Sie die Risse mindestens 6 Monate. Messen Sie die Breite alle 14 Tage mit einem digitalen Messgerät.
- Holen Sie einen staatlich geprüften Baugutachter. Nicht den ersten Anbieter, der anruft.
- Verlangen Sie die statische Berechnung. Prüfen Sie, ob sie nach DIN 1054 und DIN 4019 erstellt wurde.
- Vergleichen Sie mindestens drei Angebote - nicht nur nach Preis, sondern nach Methode und Erfahrung.
- Prüfen Sie, ob der Anbieter CE-zertifizierte Materialien verwendet (DIN EN 1504-5 für Harze, DIN EN 1536 für Pfähle).
- Verlangen Sie eine schriftliche Garantie auf die Tragfähigkeitssteigerung - nicht nur auf die „Rissstilllegung“.
- Dokumentieren Sie alles vorher: Fotos, Messwerte, Zustand der Rohre.
Setzungsrisse sind kein Notfall - aber sie sind ein Alarm. Wenn Sie handeln, bevor das Haus irreparabel beschädigt ist, können Sie Ihr Zuhause retten. Die Untermauerung ist kein billiger Trick. Sie ist die letzte, aber wirksamste Chance.
