Wenn Sie eine Immobilie im Ausland erben, ist das kein einfacher Fall. Es geht nicht nur um Trauer, sondern um komplizierte Steuerregeln, die sich zwischen Deutschland und dem Land der Immobilie unterscheiden. Viele Erben ahnen nicht, dass sie in zwei Ländern gleichzeitig Steuern zahlen müssen - und das kann schnell tausende Euro kosten. Im Jahr 2022 wurden allein in Deutschland über 1,5 Milliarden Euro Erbschaftsteuer aus ausländischen Immobilien eingenommen. Das zeigt: Das ist kein Randthema. Es betrifft Tausende Familien - besonders in Spanien, Italien und Frankreich, wo Deutsche häufig Häuser oder Ferienwohnungen besitzen.
Wie funktioniert die Erbschaftssteuer auf Auslandsimmobilien in Deutschland?
Deutschland besteuert nicht nur das Vermögen innerhalb der Grenzen, sondern das Weltvermögen des Erblassers. Das bedeutet: Ob Ihre Eltern ein Haus in Barcelona, eine Wohnung in Rom oder ein Ferienhaus in der Schweiz besaßen - wenn Sie als Erbe in Deutschland ansässig sind, müssen Sie die Immobilie in Deutschland versteuern. Die Steuer berechnet sich nach dem gemeinen Wert der Immobilie, also dem Marktwert, den ein Käufer heute zahlen würde. Das steht im Bewertungsgesetz (BewG), § 31.
Die Höhe der Steuer hängt von zwei Dingen ab: Ihrem Verwandtschaftsgrad zum Erblasser und dem Wert der Immobilie nach Abzug der Freibeträge. Kinder haben einen Freibetrag von 400.000 Euro, Ehegatten 500.000 Euro, Enkel 200.000 Euro. Alles, was darüber liegt, wird mit Steuersätzen von 7% bis 50% besteuert. Je weiter die Verwandtschaft entfernt ist, desto höher der Satz.
Ein Problem: Der gemeine Wert ist nicht immer leicht zu ermitteln. In Spanien wird oft der sogenannte Catastro-Wert verwendet - ein steuerlicher Wert, der 30 bis 40% unter dem tatsächlichen Marktwert liegt. Wenn Sie diesen Wert angeben, riskieren Sie, dass das Finanzamt ein anderes Gutachten verlangt. Das kostet Zeit und Geld - bis zu 2.500 Euro für ein deutsches Gutachten.
Welche Länder haben ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland?
Ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) soll verhindern, dass Sie für dieselbe Immobilie in zwei Ländern Steuern zahlen. Deutschland hat solche Abkommen nur mit sechs Ländern: Frankreich, Dänemark, Griechenland, Schweden, die Schweiz und die USA.
Das ist wenig. Besonders kritisch: Spanien und Italien haben kein Abkommen mit Deutschland. Das bedeutet: Wenn Sie ein Haus in Mallorca erben, zahlen Sie erst in Spanien Erbschaftssteuer - und dann in Deutschland nochmal, nur dass Deutschland die ausländische Steuer nicht automatisch anrechnet. Sie müssen das extra beantragen. Und selbst dann wird oft nur ein Teil angerechnet.
Ein Beispiel: Ein Erbe erbt ein Haus in Spanien mit einem Marktwert von 500.000 Euro. Die spanische Steuer beträgt 28% - also 140.000 Euro. In Deutschland wäre die Steuer ohne Freibetrag bei 150.000 Euro. Wenn er die spanische Steuer voll anrechnet, bleibt ihm noch 10.000 Euro deutsche Steuer. Aber: Das Finanzamt akzeptiert nicht immer die spanische Zahl. Es prüft, ob der Wert korrekt war, ob die Steuer rechtlich gültig war - und entscheidet dann. Viele Erben zahlen deshalb doppelt.
Wie sieht es in Spanien, Italien und Frankreich aus?
Spanien: Die Erbschaftssteuer wird von den Regionen selbst festgelegt. In Mallorca, Katalonien oder Andalusien gibt es oft hohe Steuern - bis zu 34%. Es gibt Freibeträge, aber die sind geringer als in Deutschland. Wichtig: Spanien besteuert die Immobilie nach Lagerecht - also wo die Immobilie steht. Das gilt unabhängig davon, ob der Erblasser Deutsche war oder nicht. Kein DBA mit Deutschland. Doppelbesteuerung ist die Regel, nicht die Ausnahme.
Italien: Italien besteuert ebenfalls nach Lagerecht. Die Steuersätze variieren von 4% bis 8%, je nach Verwandtschaft. Aber: Die Bewertung ist kompliziert. Die italienischen Behörden nutzen oft historische Werte oder konservative Schätzungen. Deutsche Finanzämter verlangen dann ein deutsches Gutachten - und das kostet. Ein Nutzer auf Reddit berichtete, dass sein Finanzamt ein Gutachten verlangte, das 1.200 Euro kostete. Und Italien hat auch kein DBA mit Deutschland.
Frankreich: Hier gibt es ein DBA mit Deutschland. Das ist eine Ausnahme. Frankreich besteuert Immobilien nach Lagerecht - also die Immobilie in Frankreich wird französisch besteuert. Deutschland kann die französische Steuer anrechnen. Das spart Geld. Aber: Frankreich hat auch strenge Pflichtteilsregeln. Wenn ein Elternteil ein Kind enterbt, kann das Kind trotz Testament Anspruch auf die Hälfte des Vermögens haben. Das hat viele Erben überrascht.
Was sagt das EU-Erbrecht?
Seit 2015 gilt in fast allen EU-Ländern die Europäische Erbrechtsverordnung. Sie legt fest: Welches Recht gilt? Das Recht des Landes, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ein deutscher Rentner, der 15 Jahre auf Mallorca lebte, unterliegt also spanischem Erbrecht - es sei denn, er hat im Testament ausdrücklich das deutsche Recht gewählt. Das nennt man Heimatwahlrecht.
Das ist wichtig, weil Erbrecht und Erbschaftssteuer nicht dasselbe sind. Das Erbrecht regelt, wer erbt. Die Erbschaftssteuer regelt, wie viel Steuer fällig wird. Sie können also spanisches Erbrecht haben - aber deutsche Erbschaftssteuer zahlen. Das ist kein Widerspruch. Es ist Standard.
Was müssen Erben tun? Schritte im Überblick
Wenn Sie eine Auslandsimmobilie erben, müssen Sie folgende Schritte beachten:
- Kenntnis vom Erbfall: Sobald Sie wissen, dass Sie erben, beginnt die Frist. Sie haben drei Monate Zeit, die Erbschaftssteuererklärung beim Finanzamt einzureichen (§ 30 ErbStG).
- Bewertung der Immobilie: Ermitteln Sie den Marktwert. Nutzen Sie einen deutschen Sachverständigen, eine Bescheinigung des ausländischen Notars oder eine schriftliche Schätzung mit Belegen. Das Finanzamt akzeptiert oft ausländische Dokumente - aber nicht immer. Bereiten Sie sich auf Nachfragen vor.
- Steuererklärung einreichen: Nutzen Sie das Formular für Auslandsvermögen. Geben Sie alle Details an: Lage, Wert, Besitzverhältnis, bereits gezahlte ausländische Steuern.
- Anrechnung beantragen: Wenn Sie in einem Land ohne DBA Steuern gezahlt haben, reichen Sie einen Antrag auf Anrechnung ein (§ 21 ErbStG). Legen Sie die Steuerbescheide aus dem Ausland bei.
- Zahlung: Die Steuer ist innerhalb von sechs Monaten nach Festsetzung fällig. Verzugszinsen betragen 0,5% pro Monat - das kann schnell teuer werden.
Ein Notar oder Steuerberater mit Erfahrung im internationalen Erbrecht kann hier helfen. Die Kosten liegen zwischen 800 und 3.000 Euro - aber oft ist das Geld gut investiert. Laut dem Deutschen Notarinstitut entstehen bei 78% der Fälle mit Auslandsimmobilien zusätzliche Beratungskosten von durchschnittlich 1.500 Euro. Das ist kein Luxus - das ist Notwendigkeit.
Was ist neu? Aktuelle Entwicklungen 2025
Es gibt Bewegung. Im Oktober 2023 entschied der Europäische Gerichtshof, dass der 10%-ige Abschlag für vermietete Wohnimmobilien (§ 13d ErbStG) auch für ausländische Immobilien gilt. Das ist eine große Erleichterung. Wenn Sie ein Haus in Portugal oder Griechenland geerbt haben, das vermietet ist, können Sie den Wert um 10% reduzieren - und damit die Steuer senken.
Deutschland verhandelt aktuell mit Italien und Spanien über ein Doppelbesteuerungsabkommen. Die ersten Gespräche fanden Anfang 2024 statt. Experten erwarten, dass bis 2026 ein Abkommen mit mindestens einem dieser Länder zustande kommt. Das wäre ein großer Schritt - denn Spanien und Italien sind die Top-Länder für deutsche Immobilienbesitzer.
Aber: Eine EU-weite Harmonisierung der Erbschaftssteuer ist noch nicht in Sicht. Die Kommission arbeitet daran, aber wegen unterschiedlicher Interessen der Mitgliedstaaten wird das erst nach 2030 möglich sein.
Was passiert, wenn Sie nichts tun?
Die Folgen sind schwerwiegend. Wenn Sie die Steuererklärung nicht einreichen, droht eine Strafsteuer. Das Finanzamt kann den Wert der Immobilie selbst schätzen - und das ist fast immer höher als Ihr Wert. Dann zahlen Sie mehr als nötig. Außerdem laufen Verzugszinsen - 0,5% pro Monat - auf die ausstehende Steuer. Und: Wenn die Immobilie verkauft wird, kann das Finanzamt den Verkaufserlös als Erbschaftswert ansetzen. Das ist eine weitere Falle.
Ein Erbe aus Stuttgart erzählte mir: „Ich dachte, ich warte ein Jahr, bis ich mich um alles kümmere. Dann bekam ich eine Steuernachforderung für 87.000 Euro - inklusive Zinsen. Ich hätte mit einem Berater 15.000 Euro sparen können.“
Was können Sie jetzt tun?
Wenn Sie eine Auslandsimmobilie geerbt haben oder planen, eine zu erben:
- Prüfen Sie, ob das Land ein DBA mit Deutschland hat.
- Erheben Sie alle Dokumente: Kaufvertrag, Steuerbescheide aus dem Ausland, Bescheinigungen von Notaren.
- Holen Sie sich ein Gutachten - nicht nur für das Finanzamt, sondern auch für Ihre eigene Sicherheit.
- Reden Sie mit einem Steuerberater, der internationales Erbrecht kennt. Nicht jeder Steuerberater ist darauf spezialisiert. In Deutschland gibt es nur 187 Fachanwälte mit zusätzlicher Zertifizierung für internationales Erbrecht.
- Denken Sie an die Zukunft: Wenn Sie selbst eine Immobilie im Ausland besitzen, lassen Sie ein Testament aufsetzen - und wählen Sie ausdrücklich das deutsche Recht, wenn das für Sie besser ist.
Erbschaftssteuer bei Auslandsimmobilien ist kein Thema, das man ignorieren kann. Es ist komplex, aber lösbar. Wer rechtzeitig handelt, vermeidet hohe Kosten und unnötige Stresssituationen. Wer wartet, zahlt doppelt - und oft viel mehr als nötig.
